UA-75898354-1
Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

Säkulare Stagnation

Veröffentlicht am 24.07.2016

Der Glaube an stetiges Wachstum hat unsere Politiker aller Schattierungen noch lange nicht verlassen, aber bei den Ökonomen breitet sich zunehmend und äußerst rasch Skepsis aus, egal ob die Experten dem eher „linken“ Lager oder dem unternehmerfreundlichen „neoliberalen“ Lager zuzurechnen sind. Larry Summers, einst Chefökonom der Weltbank, US-Finanzminister unter Bill Clinton und einer der Vorreiter der verhängnisvollen Deregulierung der Finanzmärkte, hat im November 2013 dem Kind der neuen Einsichten einen (alten) Namen gegeben: Für ihn ist ein Zeitalter der „säkularen Stagnation“ angebrochen...

Der Glaube an stetiges Wachstum hat unsere Politiker aller Schattierungen noch lange nicht verlassen, aber bei den Ökonomen breitet sich zunehmend und äußerst rasch Skepsis aus, egal ob die Experten dem eher „linken“ Lager oder dem unternehmerfreundlichen „neoliberalen“ Lager zuzurechnen sind. Larry Summers, einst Chefökonom der Weltbank, US-Finanzminister unter Bill Clinton und einer der Vorreiter der verhängnisvollen Deregulierung der Finanzmärkte, hat im November 2013 dem Kind der neuen Einsichten einen (alten) Namen gegeben: Für ihn ist ein Zeitalter der „säkularen Stagnation“ angebrochen.

Unter diesem Schlagwort wird das beobachtete Phänomen seit seiner Wiedererweckung durch Summers in den USA nicht nur in den akademischen Kreisen diskutiert; und es wird sicher auch hierzulande bald in die Talkshows Thema werden. Die Fachdiskussion hierzulande wurde von Carl-Christian von Weizsäcker angestoßen. Gemeint ist mit säkularer Stagnation, dass unser Weltwirtschaftssystem ein Stadium erreicht hat, in dem es aus eigenem Antrieb heraus nicht mehr wachsen wird und nicht mehr wachsen kann. Und die Gründe dafür liegen diesmal nicht (nur) im Klimawandel begründet.

So jung die aktuelle Diskussion, so alt der Name und die dahinterstehende Beobachtung. Alvin Hansen, ein amerikanischer Ökonom und glühender Verehrer von John Maynard Keynes, hatte den Begriff „säkulare Stagnation“ 1938 eingeführt. Er ging sowohl von einem Schrumpfen des Bevölkerungswachstums als auch von einem Nachlassen des technischen Fortschritts aus. Dem frei vagabundierendem Kapital, immer auf der Suche nach den höchsten Renditen, würden, so folgerte Hansen, die lukrativen Investmentmöglichkeiten ausgehen. Wenn Investitionen ausbleiben, kann es kein Wachstum geben.

Die 1950er, 1960er und 1970er Jahre erwiesen sich aber anscheinend als Widerlegung von Hansens Überlegungen. Die Weltbevölkerung insgesamt explodierte trotz des Geburtenrückgangs in den reichen Ländern. Der technische Fortschritt zeigte keine Ermüdungserscheinungen. Historisch waren diese Jahre geprägt durch einmalige Wachstumsraten der Weltwirtschaft über einen so langen Zeitraum. Hansens Theorie und der Begriff „säkulare Stagnation“ gerieten in Vergessenheit – bis zu der Rede von Larry Summers.

Seit 1980 haben sich die Dinge hin zu Hansens Grundannahmen verändert. Zwar wächst die Weltbevölkerung nach wie vor, aber nicht mehr um drei Prozent jährlich, wie noch bis in die 1970er Jahre, sondern nur noch um ein Prozent. Trotz Computerisierung sind die Indizes, die den technischen Fortschritt anzeigen, seit dreißig Jahren leicht rückläufig. Wenn Absatzmärkte nicht mehr wachsen, investiert man höchstens in Maschinen, die nicht Zusätzliches produzieren, sondern Arbeitskräfte überflüssig machen. Da dann aber Arbeitseinkommen wegfällt, können dann eben auch die nun billiger produzierten Güter nicht mehr verkauft werden.

Kapitalismus erzeugt nicht nur Wachstum, er benötigt es auch wie die Luft zum Atmen. Ohne Wachstum gibt es keine Realzinsen; ohne Realzinsen kann keiner von seinem Reichtum leben; wenn man von seinem Reichtum nicht leben kann, häuft man keinen an; wenn man keinen Reichtum anhäufen will, investiert man nicht; ohne Investitionen kein Wachstum. Das Wachstumsrad muss in Schwung gehalten werden, dann läuft der Kapitalismus wie von allein. Nur ist der Kapitalismus leider kein Perpetuum mobile, das ohne Reibungsverluste den Wohlstand vermehrt. Irgendwann kommt das Rad zum Stillstand. Oder es setzt eine Abwärtsspirale ein. Säkulare Stagnation? Schön wäre es! Das ließe sich vernünftig organisieren. Dramatischer Absturz? Nicht auszuschließen.   

 

 

Zurück zur

STARTSEITE